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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 19.01.2009
Aktenzeichen: 2 U 419/08
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 130 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 133
InsO § 143
InsO § 166 Abs. 2
InsO § 167 Abs. 1 Satz 1
InsO § 178 Abs. 3
Enthält ein einheitlicher Sicherungsvertrag sowohl Elemente einer kongruenten als auch einer inkongruenten Deckung, ist insgesamt von einem inkongruenten Rechtsgeschäft auszugehen. Ein inkongruentes Rechtsgeschäft stellt zwar ein erhebliches Indiz bzw. ein Beweisanzeichen für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners dar, hieraus muss aber nicht zwingend geschlossen werden, dass eine solche im konkreten Einzelfall tatsächlich auch bestanden hat (in Anknüpfung an BGH Urteil vom 14.2.2008 - IX ZR 38/04 - NJW-RR 2008, 870).
Gründe:

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Beklagten wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 25. Februar 2009 Es wird um Mitteilung gebeten, ob die Berufung aufrechterhalten bleibt.

I.

Die Klägerin, die einen Brennstoffhandel betreibt, belieferte die Firma K. GmbH (nachfolgend Insolvenzschuldnerin), mit Kraftstoffen. Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin ist am 01.03.2006 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestimmt worden (AG B.K. 3 IN 41/06). Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin.

Die Klägerin hat im Rahmen der Stufenklage beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma K. GmbH, Auskunft und Abrechnung über die Verwertung der an die Klägerin abgetretenen Forderungen der Firma K. GmbH gegen die Stadtwerke W. aus dem Auftrag vom 02.09.2004 betreffend das Bauvorhaben B. in W. zu erteilen. Der Beklagte hat im Wesentlichen die Wirksamkeit der Abtretung der Forderung der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin hinsichtlich eines Werkvergütungsanspruchs gegenüber den Stadtwerken W. bestritten und die Anfechtung dieser Rechtshandlung gemäß § 133 InsO erklärt.

Der Beklagte hat seinerseits Widerklage erhoben, er erstrebt die Zahlung von 136.649,27 € nebst Zinsen.

Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des Auskunftsanspruchs (erste Stufe) als begründet erachtet und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung seines Teilurteils hat es ausgeführt, die Klägerin könne von dem Beklagten Auskunft und Abrechnung über die Verwertung der an die Klägerin abgetretenen Forderung der Insolvenzschuldnerin gegen die Stadtwerke W. aus dem Vertrag vom 2.09.2004, der das Bauvorhaben B. in W. betreffe, verlangen (§ 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 166 Abs. 2 InsO).

Die Anmeldung zur Insolvenztabelle und die Anerkennung der Forderung für den Ausfall durch den Insolvenzverwalter in Höhe von 105.920,14 € bedeuteten zwar nicht, dass die Wirksamkeit der Forderungsabtretung feststehe. Die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle und die Feststellung der Forderung für den Ausfall (K 5, GA 12) durch den Insolvenzverwalter erstreckten sich auf die gesamte Forderung, nicht aber darauf, ob tatsächlich ein Absonderungsrecht auch bestehe. Es handele sich nur um einen Hinweis auf die Berücksichtigung des Absonderungsrechts im Verteilungsverfahren (§ 178 Abs. 3 InsO).

Das Landgericht hat die Abtretung der Forderung der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin gemäß Vertrag vom 1.9.2005 gemäß § 354 a HGB in Abweichung zu § 399 BGB als wirksam angesehen und ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Ziffer 1 InsO bejaht. Das Landgericht hat ein Anfechtungsrecht des Beklagten gemäß § 133 Abs. 1 InsO verneint.

Die Beweisaufnahme (Vernehmung des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin W. und Buchhalterin der Klägerin B., GA 88 ff.) habe weder eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligungsabsicht noch eine entsprechende Kenntnis der Klägerin ergeben. Das Landgericht stellte maßgeblich darauf ab, dass die wirtschaftliche Konzeption des Geschäftsbetriebs der Gemeinschuldnerin auf der Vorleistung der Lieferanten beruhte, auf die sie zur Erwirtschaftung ihrer eigenen Ansprüche regelmäßig angewiesen gewesen sei. Es habe kein Kontokorrentkonto bestanden. Die Klägerin habe auch nach dem 1.9.2005 noch Zahlungen erbracht. Es sei keine Benachteiligung anderer Gläubiger ersichtlich gewesen.

Das Landgericht hat darüber hinaus die Widerklage abgewiesen. Dem Beklagten stehe kein Zahlungsanspruch zu. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Zahlungen vom 09.09., 19.10 und 28.12.2005 an die Klägerin anfechtbar wären. Ein Anfechtungsgrund nach § 130 Abs.1 Nr. 1 InsO (kongruente Deckung) hinsichtlich der letzten Zahlung vom 28.12.2005 (innerhalb der Dreimonatsfrist vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 14.2.2006) bestehe nicht, da die Klägerin keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin gehabt habe. Die Zahlungen vom 9.9. und 19.9.2005 lägen außerhalb der Frist des § 130 Abs.1 Nr. 1 InsO. Darüber hinaus bestehe auch kein Anfechtungsrund nach § 133 InsO wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung innerhalb des 10 Jahreszeitraums. Das Landgericht ist gestützt auf die Bekundungen des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin W. davon ausgegangen, dass die Klägerin keine Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin gehabt habe und die Zahlungsschwierigkeiten derselben erst ab Oktober 2005 aufgetreten seien. Das Landgericht hat sich dabei auch auf die Bekundungen der Zeugen B. bezogen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Abweisung der Klage und im Wege der Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 136.649,27 € nebst Zinsen.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht der Klägerin im Rahmen der ersten Stufe der Stufenklage einen Auskunftsanspruch zugesprochen.

1) Das Landgericht hat zu Recht eine wirksame Anfechtung des Vertrages vom 1.9.2005 hinsichtlich der Abtretung des Werklohnanspruchs der Schuldnerin gegen die Stadt W. gemäß § 133 Abs. 1 InsO verneint.

a) Gemäß § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung des Schuldners anfechtbar, wenn der Schuldner diese mit Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen und wenn der andere Teil diesen Vorsatz kannte. Nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligt.

Zwar handelt es sich bei dem Vertrag vom 1.9.2005 um eine Rechtshandlung, die innerhalb des 10 Jahreszeitraums vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurde. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fehlt es jedoch sowohl an einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Insolvenzschuldnerin als auch an einer Kenntnis der Klägerin. Dass das Bauvorhaben durch den Beklagten fertig gestellt und ohne diese Fertigstellung keine Zahlungen durch die Stadtwerke W. erfolgt wären, ist kein Indiz dafür, dass die Abtretung der Forderung vom 1.9.2005 in der Absicht der Gläubigerbenachteiligung erfolgt wäre. Ohne die Lieferung des Kraftstoffs durch die Klägerin bis Februar 2006 hätte das Abbruchvorhaben in W. nicht ausgeführt werden können. Der Zeuge W., Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, hat nachvollziehbar bekundet, dass es bis in den Herbst 2005 keine wirtschaftlichen Probleme gegeben habe. Erst ab Oktober 2005 seien Probleme aufgetreten und die Klägerin habe Sicherheiten begehrt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Geschäftsmodell der Insolvenzschuldnerin derart aufgebaut, dass diese über keinen Kontokorrentkredit verfügte und immer erst nach Eintreibung ihrer Forderungen die eigenen Lieferanten bedienen konnte. Das Landgericht stellt zutreffend darauf ab, dass die Insolvenzschuldnerin keine Gläubiger benachteiligen durfte, da sie ansonsten keine Materiallieferungen mehr erhalten hätte. Bis Ende 2005 sind auch alle Forderungen der Klägerin befriedigt worden.

Dem steht nicht BGH 9.1.2007 - IX ZR 47/96 WM 1997, 436 entgegen, wonach die Benachteiligungsabsicht nur voraussetzt, dass der Schuldner die Benachteiligung seiner Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg der Rechtshandlung will. Die Absicht muss also nicht etwa der Beweggrund des Handels sein, sondern es genügt, dass der Schuldner den benachteiligenden Erfolg als sicher voraussieht und ihn billigend in Kauf nimmt. Der BGH stellt maßgeblich auf die Unterscheidung zwischen kongruenter und inkongruenter Deckung ab. Bei einer inkongruenten Deckung besteht eins starkes Beweisanzeichen dafür, dass der Schuldner sich einer Benachteiligung seiner Gläubiger bewusst war (BGH Urteil vom 14.2.2008 - IX ZR 38/04 - NJW-RR 2008, 870).

Der Sicherungsvertrag enthielt im konkreten Fall sowohl Elemente einer kongruenten als auch einer inkongruenten Deckung. Soweit der Abtretungsvertrag eine Sicherheit für aufgelaufene Verbindlichkeiten vorsah, handelte es sich um eine inkongruente Deckung, da die Klägerin zum Zeitpunkt des Sicherungsvertrages keinen Anspruch auf Absicherung dieser Altforderungen hatte. Soweit der Sicherungsvertrag Forderungen hinsichtlich zukünftiger Kraftstofflieferungen absicherte, handelte es sich um eine kongruente Deckung. Ohne diese Sicherung zugunsten der Klägerin wäre kein Kraftstoff mehr geliefert worden.

Enthält ein einheitlicher Sicherungsvertrag sowohl Elemente einer kongruenten als auch einer inkongruenten Deckung, ist insgesamt von einem inkongruenten Rechtsgeschäft auszugehen (BGH Urteil vom 14.2.2008 - IX ZR 38/04 - NJW-RR 2008, 870). Ein inkongruentes Rechtsgeschäft stellt zwar ein erhebliches Indiz bzw. ein Beweisanzeichen für eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners dar, hieraus muss aber nicht zwingend geschlossen werden, dass eine solche im konkreten Einzelfall tatsächlich auch bestanden hat. Das Landgericht hat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells der Insolvenzschuldnerin zu Recht eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht verneint.

b) Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fehlt es zudem auch an einer Kenntnis der Klägerin von einer etwaigen Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Insolvenzschuldnerin. Entgegen der Auffassung der Berufung greift die Vermutungsregelung des § 133 Abs.1 S. 2 InsO nicht. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob die Klägerin tatsächlich wusste, dass eine Zahlungsunfähigkeit droht. Dass diverse Rechnungen seit Mai 2005 nicht beglichen wurden, könnte zwar ein Indiz für eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin sein, andererseits steht dem aber entgegen, dass immer wieder Zahlungen bis einschließlich Ende Dezember 2005 erfolgten.

2) Das Landgericht hat darüber hinaus zu Recht die Widerklage, mit der der Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 136.649,27 € nebst Zinsen verfolgt, abgewiesen.

Die Berufung leitet ihren Zahlungsanspruch aus § 143 InsO hinsichtlich der von der Insolvenzschuldnerin an die Klägerin erfolgten Zahlungen vom 9.9., 19.10. und 28.10.2005 ab.

Die Berufung greift die Zahlung vom 28.12.2005 in Höhe von 104.663,84 € an, die drei Monate vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte.

Das Landgericht hat zu Recht ein Anfechtungsrecht nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO verneint. Nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte.

Die Berufung sieht in der Zahlung vom 28.12.2005 zwar einen Fall einer kongruenten Deckung, da der Klägerin unstreitig ein Anspruch auf Zahlung der Kraftstofflieferungen für die Zukunft zugestanden habe, meint jedoch die Insolvenzschuldnerin sei zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig gewesen, weil sie ihre Forderungen nicht innerhalb der üblichen 3 Wochen, sondern erst 6 Monate nach Fälligkeit bezahlt habe. Im Sommer 2005 hätten Verbindlichkeiten in Höhe von 200.000 € bestanden, davon knapp 136.000 € gegenüber Klägerin. Letztere habe zumindest Kenntnis von den Umständen gehabt, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit nach § 130 Abs. 1 InsO schließen ließen.

Der Senat vermag mit dem Landgericht dieser Auffassung nicht zuzustimmen. Die Tatsache der Zahlung von 104.663,84 € Ende Dezember 2005 spricht gerade gegen eine Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin. Im Übrigen hat es, wie dargelegt, dem Geschäftsmodell der Insolvenzschuldnerin entsprochen, Leistungen an die Klägerin erst nach Begleichung ihrer Forderungen gegen ihre Schuldner zu begleichen. Zutreffend verweist das Landgericht darauf, dass die Klägerin bis Februar 2006 die Insolvenzschuldnerin weiter mit Kraftstoffen belieferte, dieses bei Kenntnis einer Zahlungsunfähigkeit oder Umständen, die zwingend auf eine solche schließen ließen, kaum gemacht hätte. Die Zahlungen vom 9.9. und 19.10.2005 liegen außerhalb der Dreimonatsfrist des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Diesbezüglich kommt auch eine Anfechtung nach § 133 Abs.1 InsO nicht in Betracht. Da diese Zahlungen sich auch auf Rechnungen vom 12.10 bis 14.12.2005 bezogen, liegen die Voraussetzungen für eine nach § 133 Abs. 1 InsO inkongruente Deckung nicht vor. Die finanziellen Schwierigkeiten der Insolvenzschuldnerin traten, den Bekundungen des Zeugen W. zufolge, erst ab Oktober 2005 auf.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 245.836,42 € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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